Diagnostik von Mykosen – ein Wettlauf mit der Zeit?

DSC_0444 Kopie

Interview mit Frau Prof. Birgit Willinger, Wien

Thema: Mykologische Diagnostik;
Basis: Symposium im Rahmen der MYK 2015 am 17.9.2015
Leben retten – IFI 2015, Aspekte der Diagnostik – Neu = Besser?

Diagnostik von Mykosen – ein Wettlauf mit der Zeit?

Die Diagnostik von Pilzinfektionen ist fast immer ein Wettlauf mit der Zeit. Je früher eine Diagnose gesichert werden kann, desto größer sind die Erfolgschancen der Therapie. Doch wann kommt die Diagnose früh genug und wie eindeutig und sicher ist sie? Sind die neuesten Methoden unbedingt die besseren? Wir fragten Frau Professor Birgit Willinger, Abt. für klinische Mikrobiologie, Medizinische Universität Wien, nach ihrer Strategie und ihren Erfahrungen.

Frage: Gibt es Warnzeichen für eine Pilzinfektion, die diagnostische Maßnahmen rechtfertigen?

Prof. Willinger: Pilzinfektionen zeigen keine typischen Symptome. Es gibt aber Risikofaktoren wie z.B. Immunsuppression bei Patienten mit hämatologischen Erkrankungen oder bei Patienten nach Knochenmark- oder Organtransplantation. Hier gilt erhöhte Aufmerksamkeit insbesondere bei Fieber, dass nicht auf eine Antibiotikatherapie anspricht. Diagnostische Maßnahmen sollten bei Risikopatienten im Sinne eines Screenings möglichst schon früher beginnen, um im Falle eines Verdachtsbefundes sofort mit der Therapie beginnen zu können.

Frage: Welche Methoden können in einem frühen Stadium der Pilzinfektion gesicherte Hinweise geben?

Prof. Willinger: Gesicherte Hinweise gibt es erst im späteren Verlauf der Erkrankung, wenn ein histologischer Nachweis erfolgt. Wahrscheinliche Hinweise auf eine Aspergillose kann der Galaktomannan-Test liefern. Wenn steigende Titer nachgewiesen werden, ist eine Pilzinfektion zu vermuten. Ein sehr breites Nachweisspektrum weist der Beta-D-Glucan-Test auf. Dabei ist allerdings zu beachten, dass bestimmte Pilze wie die der Mucorales-Gruppe sowie Kryptokokken nicht erfasst werden. Eine weitere Methode sind PCR Assays (Polymerase Chain Reaction), die bislang meistens auf Basis nicht kommerzieller in-house Protokolle verwendet werden und daher noch nicht in entsprechende Guidelines aufgenommen sind. Allerdings wurde mittlerweile durch die Arbeitsgruppe „European Aspergillus PCR Initiative (EAPCRI)“ sehr viel Arbeit in eine Standardisierung der Aspergillus-PCR gesteckt, sodass es sehr wahrscheinlich ist, dass eine standardisierte PCR demnächst in entsprechende Guidelines aufgenommen wird.
Mucormykosen können zurzeit nur mittels Kultur oder in House PCR-Assays erfasst werden. Hier muss zugegebenermaßen noch einiges an Entwicklungsarbeit geleistet werden.

Frage: Kann parallel im Verdachtsfall mit einer Therapie begonnen werden, auch wenn der Erreger noch nicht feststeht?

Prof. Willinger: Ja, durchaus. Wenn mittels der Screening-Methoden wie den Galaktomannan-Test, Beta-D-Glucan-Test oder PCR eine Veränderung im Sinne eines Mykoseverdachts festgestellt wird, ist eine präemptive Therapie angezeigt. Vor Therapiebeginn sollte nochmals diagnostisches Material abgenommen werden, um zu vermeiden, dass Testergebnisse durch eine antimykotische Therapie zu stark beeinflusst werden.

Frage: Sie plädieren für eine Kombination von „alten“ und „neuen“ Methoden zur mykologischen Diagnostik. Können Sie uns ein Beispiel für einen Ablauf nennen?

Prof. Willinger: Eine alte Methode ist die Kultur, die ich als Standardmethode immer mitlaufen lassen würde. Zusätzlich und als neue Methode würde ich die PCR (in geeigneten Varianten) einsetzen. Wenn diese parallel laufen, ergeben sich daraus die zuverlässigsten Ergebnisse. Ich erinnere mich an eine Patientin, die eine invasive Infektion mit Scedosporium apiospermum hatte. Wir haben primär eine PCR durchgeführt und parallel dazu mikroskopische Untersuchungen veranlasst sowie eine Kultur angelegt. Die PCR war sehr früh positiv. Etwas später kam das ebenfalls positive Ergebnis der Kultur, das die PRC bestätigt hat. Mit dem PCR-Ergebnis wurde die frühzeitige Therapie eingeleitet, die Kultur hat diese Entscheidung gestützt. Zusätzlich wurde ein Antimykogramm erstellt, um die in vitro-Empfindlichkeit des Erregers zu prüfen. Tatsächlich war auf Grund des Vorliegens einer Resistenz gegenüber der ursprünglich gewählten Substanz ein Wechsel auf ein anderes Antimykotikum notwendig. Die Möglichkeit Resistenzen frühzeitig zu erkennen würde fehlen, wenn ausschließlich die neuen Methoden zum Einsatz kämen, weil mittels PCR oder ELISA derzeit keine Resistenztestung erfolgen kann.

Frage: Wie wichtig ist die Kommunikation zwischen Klinik und Labor? Welche Informationen sind erforderlich?

Prof. Birgit Willinger: Die Kommunikation halte ich für extrem wichtig und ich bezeichne mich als Verfechterin des interdisziplinären Ansatzes. Je mehr Beteiligte an einem Tisch sitzen und die Fälle miteinander besprechen, desto besser ist es für den Patienten. Die Klinik sollte vorab mit dem Labor Kontakt aufnehmen und abstimmen, welche Erreger infrage kommen könnten und welche Untersuchungen durchgeführt werden sollten. Hier können seitens des Labor schon wichtige Hinweise gegeben werden, die z.B. die Abnahme verbessern, so dass das richtige Untersuchungsmaterial eingeschickt wird. Auf diese Weise können Fehler vermieden und ggf. zusätzliche zielführende Untersuchungen durchgeführt werden. Es ist für das Labor sehr wichtig zu wissen, um welchen Patienten es sich handelt und wie es ihm geht, weil danach auch entsprechende Untersuchungsmethoden ausgewählt werden können. Je besser die Kommunikation funktioniert und je mehr Austausch stattfindet, desto besser sind die Chancen für eine Heilung des Patienten. Auch die frühzeitige Patientenvisite unter Einbeziehung des Mikrobiologen unterstützt maßgeblich die diagnostische Beurteilung.

Frage: Wann sollte im optimalen Fall die Therapie beginnen und womit? Geben Sie der Klinik diesbezügliche Hinweise?

Prof. Willinger: Die Therapieentscheidung liegt immer der Hand des behandelnden Arztes. Das Labor kann und möchte beratend zur Seite stehen. Sehr sinnvoll ist aber die gemeinsame Beratung und Entscheidung über das Vorgehen auf Basis der Untersuchungsergebnisse. Was ist günstig zu tun? Wann soll eine Therapie starten? Ist Zuwarten besser? Welches Antimykotikum kommt zum Einsatz? Eine generelle Empfehlung gibt es selten, jeder Fall ist individuell zu betrachten und jede Entscheidung individuell zu treffen. Hilfreich sind die verfügbaren Leitlinien, wie z.B. Diagnostik und Therapie von Candida-Infektionen (http://www.chemotherapie-journal.de/archiv/artikel/2011/03/371.html), die von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft, Sektion antimykotische Chemotherapie in Zusammenarbeit mit der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft erstellt wurde. Eine Leitlinie zu Diagnostik und Therapie von Aspergillosen ist in Bearbeitung.

Herzlichen DANK für das Gespräch!
Interview: Gabriele Henning

Diese Webseite verwendet Cookies, die für einige Funktionen der Website notwendig sind oder zur Optimierung der Inhalte dienen (auch Inhalte von Fremdanbietern). Durch die Nutzung unserer Internetseite stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Mehr Informationen

The cookie settings on this website are set to "allow cookies" to give you the best browsing experience possible. If you continue to use this website without changing your cookie settings or you click "Accept" below then you are consenting to this.

Close