Medizinische Mykologie – heute wichtiger denn je

Buchheidt

Seit September 2017 ist Professor Dr. med. Dieter Buchheidt, Mannheim, Vorsitzender der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft e.V. (DMykG). Satzungsgemäß übernahm er das Amt von Professor Dr. med. Andreas Groll, Münster.
Systemische Mykosen stellen als opportunistische Infektionen für viele immun-supprimierte Patienten eine erhebliche Gefährdung dar. Mit den Fortschritten der Medizin und der zunehmenden Zahl immungeschwächter Patienten wächst auch die Bedeutung lebensbedrohlicher Mykosen.
Vielschichtige, schwerwiegende hämatologische Grunderkrankungen, komplexe immunsupprimierende Therapieregime, Organ– und allogene Blutstammzell-Transplantationen und langdauernde intensivmedizinische Behandlung sind u.a. Risikofaktoren, die eine systemische Mykose begünstigen können.
Als Hämatologe und Onkologe sowie Vorsitzender der DMykG sieht Buchheidt in der Verbesserung der Diagnostik und Therapie lebensbedrohlicher Pilzerkrankungen einen Schwerpunkt seiner Arbeit im Vorstand der Gesellschaft.
Im Gespräch mit Gabriele Henning-Wrobel erläutert er seine Ziele und die besonderen Anliegen für seine Amtszeit.


In Ihrer dreijährigen Amtszeit als stellvertretender Vorsitzender haben Sie die Gesellschaft und Ihre Aktivitäten gut kennengelernt. Wo möchten Sie insbesondere anknüpfen? Welche Meilensteine möchten Sie in der mehr als 50-jährigen Geschichte der Gesellschaft setzen?

Dieter Buchheidt:
Mein besonderes Anliegen ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, und zwar über das gesamte Spektrum der Mykologie, angefangen von der Grundlagenforschung bis hin zur klinischen Mykologie. Ich wünsche mir, dass möglichst viele junge Kolleginnen und Kollegen neue und aktive Mitglieder werden. Dazu gehört u.a. die Teilnahme an den Kongressen und deren Gestaltung, damit die Gesellschaft und ihre Mitglieder im wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch jung und modern bleiben. Aus meiner persönlichen Sicht steht in den nächsten Jahren ein Generationswechsel in der Gesellschaft an. Diesen Wechsel möchte ich gerne erfolgreich begleiten. Es ist immer an der Zeit, dass jüngere Kolleginnen und Kollegen aus Forschung und Klinik in der Gesellschaft nachrücken, aktiv werden und Verantwortung übernehmen. Besonderes Augenmerk möchte ich – als Kliniker – auf eine positive Entwicklung der klinischen Mykologie richten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die klinische, wissenschaftliche und interdisziplinäre Vernetzung. Sie hat sich in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren dank des kontinuierlichen Arbeitens meiner „Vorgänger“ sehr gut entwickelt. Hier möchte ich anknüpfen und die für die Kommunikation und den wissenschaftlichen Austausch unverzichtbaren Netzwerke auch international weiter pflegen und ausbauen, so dass die DMykG als anerkannte wissenschaftliche Fachgesellschaft auf internationalen Fachtagungen mehr Präsenz zeigt – wie zum Beispiel bei TIMM 2017 oder kürzlich bei der Tagung der ISHAM (International Society of Human and Animal Mycology) in Amsterdam. Die DMykG war dort in Kooperation mit der Niederländischen Gesellschaft für Medizinische Mykologie mit einem sehr gut besuchten Symposium zum Thema „From Basic Science to Patient Care“ mit exzellenten Vorträgen vertreten. Darüber hinaus sehe ich den kollegialen Kontakt zur Förderung der wissenschaftlichen Kreativität als sehr wertvoll an, um Ideen weiterzuentwickeln, neue Studien zu initiieren und ständig in engem wissenschaftlichem Austausch zu bleiben. Diese Aktivitäten und die daraus erwachsende Expertise resultieren letztlich auch in der fortgesetzten Publikation von validen Leitlinien der Gesellschaft zur Diagnostik und Therapie von Pilzinfektionen.

Wie sehen Sie die Mykologie in Ihrem Fachbereich -der Hämatologie/Onkologie- aufgestellt? Gibt es Lücken, die noch zu schließen wären?

Dieter Buchheidt:
Bei Patienten mit malignen hämatologischen, weniger bei Patienten mit onkologischen Erkrankungen haben wir ein bedeutendes klinisches Problem in Bezug auf die Diagnostik lebensbedrohlicher Pilzinfektionen. Dies betrifft insbesondere invasive Aspergillus-Infektionen, Mukormykosen und andere systemische Infektionen mit pathogenen Pilzen. In der Hämatologie wird bei Patienten, die ein hohes Risiko für die Entwicklung invasiver Mykosen aufweisen, sehr häufig und frühzeitig empirisch antimykotisch therapiert. Dabei kann die Diagnostik in den Hintergrund geraten. Sie ist aber aus epidemiologischen Gründen, nicht zuletzt wegen zunehmender Resistenzentwicklungen, die sich auch bei Pilzen ausweiten, sehr wichtig. Wir beobachten inzwischen zunehmend Azol-Resistenz bei Aspergillus fumigatus und haben darüber hinaus immer noch Probleme mit dem frühzeitigen, verlässlichen und validen Nachweis dieses Erregers. Hier bedarf es dringend weiterer Arbeiten zur Verbesserung der Diagnostik und Charakterisierung dieses und anderer fungaler Pathogene.
Wenn überwiegend empirisch oder präemptiv therapiert wird, gibt es oft nur unzureichende klinisch-epidemiologische Daten. Sie sind aber dringend erforderlich, um besser einschätzen zu können, mit welchen Erregern wir im jeweiligen Zentrum rechnen müssen und wie – empirisch basiert – optimal behandelt werden sollte.
Bei pulmonalen Infektionen verlassen wir uns zu Recht stark auf die CT-Diagnostik, obwohl es Probleme mit der Spezifität der Methode gibt. Die BAL-Diagnostik wird längst nicht flächendeckend durchgeführt, wenngleich gerade bei Aspergillus-Infektionen bei immunsupprimierten Patienten die BAL-Diagnostik (Kultur, Mikroskopie, Serologie, PCR), also die Diagnostik aus klinischem Material vom Ort der Infektion deutlich mehr diagnostische und damit therapeutische Sicherheit gibt.
Insgesamt brauchen wir für die klinische Entscheidungsfindung auch in Bezug auf den Therapieverlauf und den korrekten Einsatz möglichst spezifischer Antimykotika noch mehr wissenschaftliche Erkenntnisse – nicht zuletzt auch aus der Grundlagenforschung. Hier gibt es vor allem auf dem Gebiet der Immunologie sehr spannende Entwicklungen, die ein besseres Verständnis pilzbedingter Infektionen ermöglichen.

In welchen medizinischen Fachbereichen hat die Mykologie (bzw. sehen Sie) Nachholbedarf?

Dieter Buchheidt:
Seit einiger Zeit vermisse ich in der DMykG einerseits die Intensivmediziner und andererseits zunehmend die Dermatologen. Die intensivmedizinisch tätigen Kolleginnen und Kollegen befassen sich überwiegend mit lebensbedrohlichen Candida-Infektionen. Allerdings spielen auch Aspergillus-Infektionen in der Intensivmedizin eine nicht zu unterschätzende Rolle, beispielsweise bei Patienten mit längerer Beatmungsdauer oder auch bei intensivpflichtigen Patienten mit einer schweren Influenza-Infektion. Bekannt ist, dass man auch bei diesen Patientengruppen schnell handeln muss, da die Sterblichkeitsrate hoch ist. In der klinischen Situation wird an Aspergillus Infektionen jedoch nicht immer rasch genug gedacht. „Think fungus“ ist deshalb ein Gedanke, der eigentlich immer präsent sein sollte. Es gilt also weiterhin, noch mehr „Awareness“ zu schaffen, wie dies beispielweise im vergangenen Jahr mit der globalen Initiative einer „Fungal Awareness Week“ geschehen ist.
Auch die dermatologische Mykologie beinhaltet ein breites Spektrum spezifischer Diagnostik und Therapie. Hier halte ich es für wichtig, engen Kontakt innerhalb der DMykG zu halten. Mykosen in der Dermatologie sind nach wie vor klinisch und wissenschaftlich sehr relevant. Viele dieser Erkrankungen bedeuten für die Patienten einen hohen Leidensdruck und eine verminderte Lebensqualität.

Die Mykologie ist als interdisziplinäres Fach in nahezu jedem medizinischen Bereich von Bedeutung. Wie erreicht die DMykG alle Fachbereiche?

Dieter Buchheidt:
Über die Homepage und über den Newsletter, der nicht nur an die Mitglieder der Gesellschaft geht, sondern vielfach – z.B. in unserer Klinik – auch an mykologisch interessierte Kollegen weitergeleitet wird. Beides sind wichtige Organe, die die Arbeit der DMykG, ihre Entwicklung sowie ihre Inhalte und Ziele aufzeigen. Ich selber weise bei vielen Gelegenheiten auf www.dmykg.de hin und auf die Möglichkeiten, dort direkt mykologische Informationen zu bekommen oder mit uns in Kontakt zu treten. Durch meine Tätigkeit in anderen Fachgesellschaften wie der Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie und Onkologie (AGIHO) der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und internistische Onkologie (DGHO) und der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) bringe ich, gemeinsam mit vielen anderen Kolleginnen und Kollegen, die Thematik „Fungal Awareness“ auch immer wieder in andere medizinische Disziplinen.
Die große klinische Bedeutung lebensbedrohlicher Pilzinfektionen hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Akzeptanz gewonnen und ist in alle medizinischen Fachbereiche durchgedrungen. Wir wollen versuchen, die DMykG auch für Dermatologen und die Intensivmediziner (wieder) zu einem wichtigen Forum zu machen, so dass auch die dermatologische Mykologie und die Intensivmedizin im Rahmen der MYK-Tagungen bald – hoffentlich – wieder präsenter
ist.

„Mehr Aufmerksamkeit für Mykosen“, „daran denken“, „rechtzeitige Diagnose und frühzeitige Therapie“ galten lange als die  Strategien im Kampf gegen invasive Mykosen. Gelten sie immer noch? Haben sie sich im klinischen Alltag durchgesetzt?

Dieter Buchheidt:
Ja, Fungal Awareness ist unverändert ein großes Thema, weil insbesondere lebensbedrohliche Mykosen weiterhin mehr klinische Aufmerksamkeit brauchen und zum Teil immer noch unterschätzt werden. In diesem Rahmen ist es gut vorstellbar, auf europäischer oder nationaler Ebene analog zur „Fungal Awareness Week“ der Kollegen aus den USA letztes Jahr eigene Aktivitäten zu entwickeln und durchzuführen. Ziel ist die kontinuierliche Aufmerksamkeit für Mykosen, für die Risikofaktoren und für die diagnostischen und therapeutischen Optionen. Hier könnte die DMykG gemeinsam mit der ÖGMM und vielleicht auch gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der ECMM federführend sein.

Worin sehen Sie die wichtigsten Aufgaben der DMykG und welche möchten Sie mit Leidenschaft verfolgen und umsetzen?

Dieter Buchheidt:
Neben der stetigen Nachwuchsförderung, der Förderung der Interdisziplinarität, der nächsten Awareness-Kampagne und der Förderung der Organisation exzellenter, multidisziplinärer MYK-Kongresse würde ich gerne auch einen Fokus auf die weitere Förderung unserer Arbeitsgemeinschaften legen, die beispielsweise Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Mykosen in den unterschiedlichen medizinischen Fachbereichen erarbeiten und publizieren oder auch – wie bereits in der Vergangenheit – wieder Workshops zu bestimmten Themen organisieren. Diese Arbeitsgruppen wären auch eine gute Plattform für Nachwuchsmykologen, um sich zunächst im kleineren Rahmen effektiv einzubringen und kennenzulernen und in einem Netzwerk – mit Förderung – aktiv zu werden.

Ihr Amtsvorgänger – Professor Andreas Groll – hat Akzente gesetzt. Wofür danken Sie ihm besonders?

Dieter Buchheidt:
Besonders hervorheben möchte ich zunächst die inzwischen langjährige, sehr gute, konstruktive und harmonische Zusammenarbeit zwischen Oliver Kurzai als Schriftführer, Andreas Groll als Vorsitzender, Christina Hipler als Kassenwartin und mir. Unterschiedliche Meinungen oder Auffassungen waren immer zu guten Kompromissen und allseitiger Zufriedenheit auflösbar. Dafür und für das angenehme Miteinander danke ich allen sehr herzlich. Nach den Vorstandsneuwahlen ist nun Frau Professor Birgit Willinger als stellvertretende Vorsitzende dazugekommen und auch mit ihr ist die Zusammenarbeit äußerst angenehm und konstruktiv und wird in bewährter Weise fortgesetzt.
Zu Andreas Groll möchte ich noch betonen, dass seine mykologische, wissenschaftliche und klinische Arbeit außergewöhnlich und sehr bemerkenswert ist. Es gibt kaum einen Pädiater, der sich – wie er – mit der Thematik systemischer Mykosen so beschäftigt und in Forschung und Klinik, Diagnostik und Therapie gleichermaßen maßgebliche Akzente gesetzt hat. Mit der MYK 2017 in Münster hat er mit sehr großem persönlichem Engagement eine hochkarätige und spannende Tagung organisiert, deren Standort und Inhalte einen ganz besonderen Charakter hatten. Die DMykG hat er souverän und vorbildlich geleitet und auch viele neue Perspektiven aufgezeigt.
Vereinsregularien und -Recht hat mir Oliver Kurzai als Schriftführer der Gesellschaft in meinen ersten drei „Praktikumsjahren“ nahegebracht. Seine Kontakte zur DGHM und zu anderen Grundlagenforschern und Klinikern weltweit waren und sind für mich darüber hinaus äußerst unterstützend und hilfreich und auch für die DMykG sehr bedeutsam.

Als langjährige Kassenwartin hat Frau PD Dr. Dr. Hipler die Gesellschaft durch wechselhafte Zeiten gesteuert. Welches waren ihre besonderen Verdienste?

Dieter Buchheidt:
Frau PD Dr. Dr. Uta-Christina Hipler ist eine von mir sehr geschätzte Kollegin, die die Gesellschaft im Vorstand über Jahre kompetent und mit großen Engagement vorbildlich und charmant begleitet hat. Als Dermatomykologin verband und verbindet sie weiterhin eine sehr wichtige Schnittstelle zwischen Mykologie und Dermatologie. Ich habe sehr viel von ihr gelernt. Ihr gilt an dieser Stelle, auch im Namen der DMykG, mein ganz besonderer, herzlicher Dank für die langjährige kompetente Arbeit im Vorstand der DMykG und für ihre besondere Funktion als Bindeglied zur Dermatologie.

Was wünschen Sie sich für Ihre Amtszeit?

Dieter Buchheidt:
Mir schwebt die Schaffung der Position eines/einer „Nachwuchs-Beauftragten“ vor, der/die in enger Zusammenarbeit mit dem Vorstand die Einbindung von Nachwuchs-Wissenschaftlern und –Klinikern in die Gesellschaft, insbesondere in die Arbeitsgruppen, und ihre Vernetzung erleichtert. Beispiele anderer Fachgesellschaften zeigen, dass dieses Konzept Anklang findet, insbesondere dann, wenn eigene Veranstaltungen wie beispielsweise eigene Workshops zu selbstbestimmten Themen durchgeführt werden können. Davon erhoffe ich mir nicht nur neue Impulse für die Zukunft, sondern auch einen stabilen Fortbestand und eine gute Entwicklung der DMykG für die kommenden 50 Jahre. Zu all‘ diesen Aspekten möchte ich mir in der nächsten Zeit Gestaltungselemente und Inhalte überlegen. Dies gilt ebenfalls für die MYK im September 2019 in Mannheim, zu der ich schon jetzt sehr herzlich einladen möchte.

Herzlichen Dank für das Gespräch Herr Professor Buchheidt!


Professor Dr. med. Dieter Buchheidt

Vorsitzender der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft e.V.
Oberarzt

III. Medizinische Klinik – Hämatologie und Internistische Onkologie
Universitätsmedizin Mannheim,
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Theodor-Kutzer-Ufer 1 – 3
68167 Mannheim

dieter.buchheidt@umm.de

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