Nachruf Prof. Dr. Hannelore Bernhardt 1934 – 2020

H. Bernhardt

Am 21. Januar 2020 verstarb Hannelore Bernhardt, Greifswald, friedlich in ihrem Heim.
Hannelore Bernhardt wurde am 25.01.1934 in Schneidemühl in der damaligen Provinz Posen-Westpreußen geboren. Bedingt durch den Zweiten Weltkrieg siedelte die Familie auf die Insel Riems über, in deren Forschungsanstalt für Tierseuchen ihr Vater kriegsdienstverpflichtet war. In Greifswald besuchte sie die Oberschule bis zum Abitur und studierte an der dortigen Ernst-Moritz-Arndt-Universität von 1952-1957 Biologie. Nach Abschluss des Studiums wurde sie Assistentin an der Medizinischen Universitätsklinik ihrer Heimatstadt und promovierte 1961 mit der Arbeit „Untersuchungen zur Bakterien- und Pilzflora der Mundhöhle und des Sputums und zu Frage ihrer Beeinflussbarkeit durch antibiotisch wirksame Substanzen“ zum Dr. rer. nat. Die weiteren Stationen ihrer akademischen Laufbahn waren: 1970 Habilitation mit der Arbeit „Untersuchungen über die mikrobielle Besiedelung des Magens bei Gesunden und Kranken“, damit verbunden die Facultas Docendi der Medizinischen Fakultät, im gleichen Jahr Ernennung zur Oberassistentin und Leiterin der Abteilung für klinische Biologie an der Medizinischen Klinik der Universität Greifswald. 1980 wurde sie zur Hochschuldozentin und 1986 zur außerordentlichen Professorin für klinische Biologie berufen. Nach der politischen Wende in der früheren DDR wurde sie als Universitätsprofessorin für das Fach klinische Mikrobiologie übernommen.

Doktorarbeit und Habilitationsschrift zeigen bereits die wissenschaftlichen Schwerpunkte des Lebenswerks von Hannelore Bernhardt, die gastrointestinale Mikroökologie des Menschen. Zunächst baute sie innerhalb der Medizinischen Klinik ein leistungsfähiges mikrobiologisches Forschungslabor auf und konnte so unmittelbar am Patienten Untersuchungen durchführen, natürlich in enger Kooperation mit Ärzten. Hier hat sie gemeinsam mit ihrem klinischen Arbeitspartner, Manfred Knoke, wesentliche, international anerkannte Beiträge, zum Teil mit Grundlagencharakter geleistet. Eine solche Konstellation dürfte in Deutschland einmalig gewesen sein, sie hat aber reiche wissenschaftliche Früchte gebracht. Noch heute lohnt es sich, in dem gemeinsam mit Manfred Knoke herausgegebenen und im Akademie-Verlag Berlin 1985 erschienenen Buch „Mikroökologie des Menschen – Mikroflora bei Gesunden und Kranken“ nachzulesen. Für den klinisch tätigen Arzt wird deutlich, dass Grundkenntnisse in der Mikroökologie des Menschen erforderlich sind, um das komplizierte Zusammenspiel von Mikroorganismen und Makroorganismus auch nur ansatzweise zu verstehen. Heute wird langsam deutlich, dass das Mikrobiom des Menschen möglicherweise die Pathogenese verschiedener Krankheiten mit noch unbekannter Ursache erklären kann und sich daraus neue Behandlungsansätze ableiten lassen.

Von 1977 bis 1987 führten Hannelore Bernhard und Manfred Knoke vier Symposien „Zur gastrointestinalen Mikroflora des Menschen“ in Greifswald bzw. Stralsund durch. Hier wurden die neuesten Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet vorgestellt und diskutiert. Die internationale Reputation, die sich Hannelore Bernhardt und ihre Arbeitsgruppe erworben hatte, zeigen allein die Zahl und Herkunft internationaler Gäste, die zu diesen Symposien nach Greifswald kamen, nämlich international renommierte Wissenschaftler aus Europa, USA, Australien, Neuseeland und Japan. Als sehr beachtlich muss gewertet werden, dass Kollegen aus dem sowjetischen Institut für die medizinische Weltraumforschung Vorträge, u. a. zur Auswirkung der Langzeitisolation auf die Zusammensetzung der Darmflora, halten durften, da viele Forschungsergebnisse aus der Raumfahrt der Geheimhaltung unterlagen. Allein zur ersten Tagung wurden 12 von 47 Vorträgen von Mitgliedern der Greifswalder Arbeitsgruppe gehalten. Welche Schwierigkeiten zu überwinden waren und welche Kreativität dann doch zu Ergebnissen führte, zeigten Bernhardt und Mitarb. mit einer selbst gebauten Anaerobierbox nach der Glove-Box-Technik. Zum Zeitpunkt des 4. Symposiums stand dann die „Continuous-flow-culture-Technik“ zur Verfügung. Auch diese, für die DDR typischen Probleme, für die Forschung benötigte Geräte und Chemikalien nicht oder nur mit größten Schwierigkeiten beschaffen zu können, behinderten viele Forschungsvorhaben. Umso höher ist die unter diesen Bedingungen erzielte Arbeitsleistung von Hannelore Bernhardt zu bewerten. Dadurch, dass sie mit ihrer Abteilung in die Medizinische Klinik integriert war, hatte sie die Möglichkeit, bei Visiten die Kranken selbst zu sehen und am Bett mit den behandelnden Ärzten zu sprechen. Dieser unschätzbare Vorteil für die Patienten aber auch für den medizinischen Erkenntnisgewinn für eine Naturwissenschaftlerin geht durch die derzeitige Organisation der Abläufe im Krankenhaus in Deutschland zunehmend verloren.

Eine besondere Würdigung verdient ihr Engagement in den beiden mykologischen Gesellschaften. 1978 wurde sie in die Revisionskommission und 1982 in den Vorstand der Gesellschaft für Medizinische Mykologie der DDR gewählt. Am 13.04.1980 übernahm sie die Leitung der Arbeitsgemeinschaft „Klinische Mykologie“, deren Hauptaufgabe die Erarbeitung von Diagnostik- und Therapiestandards war. In zahlreichen Publikationen sind die Ergebnisse dieser Arbeit niedergelegt. Diese Arbeitsgemeinschaft wurde schließlich nach der Wiedervereinigung Deutschlands unter Ihrer weiteren Leitung in die Deutschsprachige Mykologische Gesellschaft eingebracht. Schon 1993 fand die erste Tagung der DMykG auf dem Boden der neuen Bundesländer, in Greifswald, statt, glänzend organisiert von Hannelore Bernhard und Manfred Knoke. Auf der Mitgliederversammlung während dieser Tagung wurde sie zur stellvertretenden Vorsitzenden der DMykG gewählt und damit satzungsgemäß zur nächsten Vorsitzenden. Damit hatte die DMykG erstmals in ihrer Geschichte eine Frau zur Vorsitzenden gewählt! In den 6 Jahren ihrer Mitgliedschaft im Vorstand, vor allem auch unter ihrem Vorsitz, hat die Gesellschaft entscheidende Schritte zur Intensivierung ihrer internationalen Beziehungen und ihrer Darstellung nach außen unternommen. In diese Zeit fällt die Aufnahme der DMykG in die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF). Hannelore Bernhard war die erste Vertreterin die DMykG im Council der European Confederation of Medical Mycology (ECMM). Ihr ist es zu verdanken, dass 1999 die 5. ECMM-Tagung in Dresden stattfand. Diese Tagung war der erste offizielle internationale Mykologenkongress in der Geschichte der DMykG, den unsere Gesellschaft ausrichtete. Die Leitung und Organisation des Kongresses oblag einem wissenschaftlichen Komitee. Unter dem Vorsitz von Hannelore Bernhardt wirkten Renate Blaschke-Hellmessen, Dresden, Wolfgang Fegeler, Münster, Hans Christian Korting, München und Claus Seebacher, Dresden im Komitee mit. Die Tagung wurde von ca.500 Wissenschaftlern aus Europa, den USA und Australien besucht. Eine Novität war, dass alle Abstracts von Vorträgen und Postern in einem fortlaufenden Heft der Zeitschrift „mycoses“ publiziert wurden und damit zitierfähig waren. Diese Neuerung wurde für die DMykG-Tagungen bis heute beibehalten. 1999 endete Ihr Vorsitz in der DMykG aber auch mit ihrer Emeritierung ihre berufliche Laufbahn. Hannelore Bernhardt hat wahrlich ein beeindruckendes Lebenswerk hinterlassen.

Aber auch im Ruhestand blieb sie aktiv. Gemeinsam mit Manfred Knoke gründete sie das“ Consilium Mycologicum“ und organisierte jährlich anspruchsvolle Tagungen. Bis 2016 in Essen war sie regelmäßig auf den Jahrestagungen der DMykG anwesend. Dann ließen die Kräfte deutlich nach.

Der Vorstand der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft spricht den Hinterbliebenen Prof. Dr. Manfred Knoke, Priv.-Doz. Dr. med. habil. Jörn Bernhardt, Prof. Dr. med. dent. Olaf Bernhardt sowie den Enkeln, Urenkeln und der weiteren Familie auch im Namen der Mitglieder der Gesellschaft die aufrichtige Anteilnahme aus. Wir werden Hannelore Bernhardt ein ehrendes Andenken bewahren.

Für die Deutschsprachige Mykologische Gesellschaft e.V.
Claus Seebacher, Dresden

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